Ein Autor für den offiziellen Blog der Europäischen Zentralbank (EZB) - lange bekannt für seine kritische Haltung gegenüber Kryptowährungen - vollzieht eine bemerkenswerte Kurskorrektur zu Stablecoins. Europa laufe Gefahr, Relevanz gegenüber dem Dollar zu verlieren.

Wie die Financial Times berichtet , äusserte sich das Krypto-kritische Sprachrohr der EZB erstmals wohlwollend zu Stablecoins, sofern diese vollständig durch staatliche Währungen gedeckt und strikt reguliert sind. Besonders im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr könnten solche digitalen Token „eine potenziell sinnvolle Rolle“ spielen. Das überraschende Statement kommt zu einem Zeitpunkt, an dem auch weltweit neue Stablecoin-Regulierungen in Kraft treten.

Von Bitcoin-Skeptikern zu Stablecoin-Befürwortern

Noch vor wenigen Monaten warnte Jürgen Schaaf, Advisor und Blogger für die EZB, öffentlich vor einer Krypto-Blase. Insbesondere Bitcoin wurde als spekulativ, volatil und ungeeignet für Zahlungsfunktionen abgetan. Diese ablehnende Haltung dokumentierte CVJ.CH ausführlich .

Dass sich nun sogar diese institutionellen Kritiker differenzierter äussern, zeigt den Wandel im Denken: Während volatile Kryptowährungen wie Bitcoin oder algorithmische Stablecoins weiter skeptisch gesehen werden, gewinnen vollständig gedeckte Fiat-Stablecoins an institutioneller Akzeptanz. Ein zentraler Punkt bleibt die Regulierung - nur mit klaren Vorgaben für Emittenten sieht Schaaf einen Mehrwert für das europäische Finanzsystem.

Europäischer Anschluss an globale Entwicklungen

Diese neue Haltung der EZB dürfte auch ein Signal an die Politik sein. Die USA haben sich mit klaren regulatorischen Rahmenbedingungen für Stablecoins - zuletzt durch den im Juni verabschiedeten „ Genius Act “ - bereits strategisch positioniert. Stablecoins wie USDT und USDC werden zunehmend für internationale Zahlungen genutzt. Europa droht bei dieser Entwicklung zurückzufallen. Die EZB scheint das erkannt zu haben: Statt sich dem digitalen Wandel zu verschliessen, will sie ihn nun aktiv mitgestalten - allerdings auf regulatorisch abgesicherten Bahnen.

Mit dem schrittweisen Umdenken der EZB könnte auch der Weg für europäische Banken und Zahlungsdienstleister frei werden, eigene Stablecoin-Initiativen zu starten oder bestehende Lösungen zu integrieren. Erste Pilotprojekte , etwa von SIX Digital Exchange in Zusammenarbeit mit Pictet oder eurogedeckten Stablecoins von Societe Generale , zeigen bereits, dass das Interesse in der Branche vorhanden ist. Sollte die EZB ihre Haltung weiter konkretisieren, könnten Stablecoins in Zukunft nicht nur im B2B-Zahlungsverkehr, sondern auch im Alltag der europäischen Konsumenten ankommen. Die Rolle der EZB könnte sich dabei vom reinen Kritiker hin zum Regulator und Infrastrukturpartner entwickeln - ein Schritt, der Europas Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Finanzsektor stärken würde.