
Der angesehene Harvard-Professor und frühere Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kenneth Rogoff, hat sich öffentlich zu einer seiner markantesten Fehlprognosen bekannt.
Im Jahr 2018 erklärte er gegenüber CNBC, die damals schon nicht mehr ganz neue Kryptowährung werde „wahrscheinlicher 100 US-Dollar erreichen als 100.000 US-Dollar“. Heute steht Bitcoin jedoch bei über 113.000 US-Dollar, das bisherige Allzeithoch liegt sogar bei rund 124.500 US-Dollar. In einem Beitrag auf der Plattform X (ehemals Twitter) zeigt sich Rogoff jetzt selbstkritisch und fragt: „Was habe ich übersehen?“
In seiner Analyse nennt er mehrere Faktoren, die ihn zur Fehleinschätzung in der damaligen Bitcoin-Prognose verleitet haben. Insbesondere habe er zu viel Vertrauen in eine baldige, stringente Regulierung des Krypto-Sektors durch US-Behörden gehabt. Stattdessen blieb die Regulierung über Jahre fragmentiert und schwach durchgesetzt, was den Weg für spekulatives Kapital und internationale Adaption freimachte.
Schattenwirtschaft, politische Dynamiken und regulatorische Lücken
Rogoff hebt hervor, dass Bitcoin inzwischen eine bedeutende Rolle im globalen Schattenmarkt spiele, etwa in Ländern mit instabilen Währungen oder restriktiver Finanzpolitik. Diese Entwicklung habe er in ihrer Dimension unterschätzt.
Auch die Funktion von Bitcoin als Inflationsschutz sei stärker ausgeprägt, als er erwartet hatte, besonders in Regionen, in denen nationale Währungen stark an Wert verloren haben.
Ein weiterer Punkt betrifft die politische Lage in den USA. Rogoff zeigt sich überrascht, dass führende Politiker, darunter auch Präsident Trump, offenbar selbst in Kryptowährungen investiert sind, ohne dass dies zu regulatorischen Konsequenzen geführt habe.
Insbesondere kritisierte er die mangelnde Kontrolle über mutmaßliche Interessenkonflikte innerhalb der US-Regierung. Trotz gegenteiliger Beteuerungen des Weißen Hauses zweifelt Rogoff an der Integrität der aktuellen Krypto-Politik.
Spöttische Reaktionen aus der Krypto-Branche
Die Krypto-Community reagierte prompt und teils spöttisch auf Rogoffs Kehrtwende. Bitwise-Investmentchef Matt Hougan erklärte, Rogoff habe sich schlicht nicht vorstellen können, dass ein dezentrales Projekt ohne zentrale Führung dauerhaft erfolgreich sein könnte.
Für David Lawant, Analyst beim Brokerhaus FalconX, war ausgerechnet Rogoffs Buch „The Curse of Cash“ mit ein Grund, sich mit Bitcoin zu beschäftigen, weil es seiner Meinung nach so schwach argumentiert war.
Auch der Digital-Asset-Chef von VanEck, Matthew Sigel, mischte sich ein. Er reihte Rogoff auf einer Liste der prominentesten Bitcoin-Kritiker auf Platz neun ein und warf ihm vor, in einer „akademischen Echokammer“ agiert zu haben.
Diese Kritik dürfte den Harvard-Ökonom schmerzen, auch angesichts der Tatsache, dass ausgerechnet seine eigene Universität in Bitcoin investiert ist. Die Harvard Management Company , zuständig für das 53 Milliarden US-Dollar schwere Stiftungsvermögen der Elite-Uni, hält mittlerweile über einen Spot-ETF von BlackRock Bitcoin-Anteile im Wert von 116 Millionen US-Dollar.